Segeln durch die Straße-von-Messina
Die Tour

28. Unter Segeln durch die Straße von Messina

Wir waren glückselig von unserer Erkundung der Insel Vulcano. Die Eindrücke dieses anstrengenden, aber lohnenswerten Tages hallten in uns nach und wir genossen unsere schöne Ankerbucht mit Blick auf den Vulkan. Wir hätten Vulcano und die umliegenden Inseln noch ewig weiter erkunden können, aber auch diesmal drängte uns ein wenig die Zeit. Es war der 12. Oktober 2019, die Rückreise musste langsam aber sicher geplant werden.

Wohin mit dem ganzen Gepäck?

Wie sollten wir eigentlich mit unserem Hab und Gut von Italien zurück nach Berlin kommen? Zug und unendlich viel Gepäck? Oder sollten wir einen großen Wagen mieten, mit welchem wir von Süditalien bis nach Berlin fuhren? 1800 Kilometer mit zwei Kindern? Oder war es doch besser sich eine Palette zu besorgen, die vollzustopfen und nach Berlin schicken zu lassen? Der „Ernst“ des Lebens holte uns langsam ein. Und für den Moment waren wir doch noch einige Seemeilen von Bari entfernt. Vor Ort waren natürlich auch noch einige Dinge bezüglich des Bootes zu regeln. Vor allem in Anbetracht der Reparaturen, Unterwasserarbeiten, Liegeplatz und eines Krahntermins. Es gab einiges zu planen. Wir überlegten welches unsere nächsten Etappen sein konnten, dabei galt es natürlich auch das Wetter im Blick zu behalten. Mit dem Boot zu reisen, heißt vor allen Dingen sich nach Wind und Wetter zu richten.

Wetteraussichten von unserer Tine aus – an diesem Abend waren sie ganz wundervoll

Ein neuer Plan

Wir verschafften uns also einen Überblick zu all diesen Umständen. Zusätzlich zu diesen Gegebenheiten, hatten wir uns auch nochmal mit meiner Schwester in Apulien verabredet. Sie würde in einer Woche in Bari landen. Von unserem Liegeplatz in Sizilien bis nach Apulien waren es auch nochmal 250 Seemeilen. Wir hatten also auch noch ein bisschen Strecke vor uns… wenn man für 20 Seemeilen circa 4 Stunden braucht… rechnet selbst.

Die Strecke von Sizilien nach Apulien – 250 Seemeilen

Ein langer Schlag oder viele kurze Etappen?

Angesichts der Wetterlage entschieden wir uns dafür wieder einen längeren Schlag zu machen. Der Wind schien für 2-3 Tage mit uns zu sein, danach würde der Wind gegen uns drehen. Unsere letzten Nachtfahrten waren ziemlich anstrengend gewesen, vor allem wegen der Wellenlage. Wir waren zuletzt von Sardinien zu den Ägadischen Inseln gesegelt. Das war einer der anstrengendsten Touren gewesen. Wind und Wellen waren eigentlich nicht sonderlich hoch, aber die Strömungen, die in diesem Bereich aufeinander treffen, führten dazu, dass das Meer zu einer Berg- und Talfahrt wurde… und das über 2 Tage und 2 Nächte lang.

Romantische Nachtfahrten

Nachtfahrten hatten allerdings auch ihr Gutes: Wir hatten uns gut eingespielt und jeder von uns nutzte die Nachtfahrt auch, um zur Ruhe zu kommen. Das war Tagsüber mit einer 24 stündigen Kinderbespaßung nur bedingt möglich. In der Nacht konnten wir die Gedanken schweifen lassen, Podcasts hören und die Sterne genießen. Nachtfahrten hatten demnach etwas sehr romantisches. Wir planten also einen direkten Törn von Sizilien nach Apulien. Ohne weitere Zwischenstopps auf Sizilien oder in Kalabrien. Das brach mir das Herz, da meine italienische Familie aus Kalabrien stammte und ich gern einmal dort halt gemacht hätte, wenn man schon so nahe war. Aber wie wir schon so oft festgestellt hatten: Man kann leider nicht alles sehen! Dafür braucht es dann doch einen ausgedehnteren Zeitrahmen… für immer!?

Unsere letzte sizilianische Nacht

Dämmerung auf dem Meer – immer ein romantischer Anblick

Nachdem der Entschluss gefasst und das Zeitfenster abgepasst war, suchten wir uns eine Ankerbucht am sizilianischen Festland aus. Dort wollten wir uns noch einmal ausruhen, bevor wir dann zwei Tage und zwei Nächte unterwegs sein würden. In der Bucht vom Capo di Milazzo verbrachten wir unsere letzte sizilianische Nacht. Milazzo selbst besichtigten wir leider nicht mehr, obwohl es eine wunderschöne Stadt sein soll, die zu den sogenannten „Borghi pui belli d‘ Italia“, also zu den schönsten Ortschaften Italiens gehört. Ich kann mich nur wiederholen: man kann nicht alles sehen! Wie immer, wenn wir einen schönen Ort verließen, waren wir etwas wehmütig. Sizilien war einfach ein Traum gewesen… andererseits, die anderen Orte hätten wir ja auch nicht missen wollen und das hatten wir mittlerweile verstanden: am Meer gibt es viel mehr schöne, als hässliche Orte. Die Nacht verlief geplant ruhig.

Die berüchtigte Straße von Messina

Wir brachen früh auf, um nicht nur das entsprechende Wetter, sondern auch die berüchtigte Strömung in der Straße von Messina abzupassen. Mit der Überquerung der Biskaya und dem Passieren der Straße von Gibraltar, war die Straße von Messina nun die dritte berüchtigte Strecke, die wir auf unserer Tour durchliefen. Meine Mutter erinnerte uns sorgenvoll an die Geschichten von Odysseus und seiner Odyssee durch diese Meerenge, wir hatten aber Glück, es waren keine Zyklopen unterwegs.

Die Einfahrt zur Straße von Messina

Auch sonst lief es wie am Schnürchen. Fiete hatte die Strömung zu unseren Gunsten gut abgepasst, wir spürten wenig von der Strömung, waren aber eben ein bisschen schneller als gewöhnlich. Es gab wenig Schiffsverkehr und wir konnten die Ehrfurcht rasch ablegen. Wiedermal stellten wir fest: wenn man sich mit Wind, Wetter und Strömungen auskennt kann man seinen Segeltörn sehr gut planen und braucht auch nichts zu befürchten. Respekt vor dem Meer zu haben ist dagegen immer gut. Das diese Meerenge in der Antike, ohne die heutige Technik, schwer zu durchqueren war ist dagegen ziemlich verständlich. Den Mut früherer Seefahrer kann man nur bewundern.

Nur 3 Kilometer von Kalabrien entfernt

Blick auf die Chiesa Santa Maria delle grazie – pace in Messina

Es war beeindruckend wie Nah das italienische Festland an Sizilien dran lag. An der engsten Stelle beträgt die Entfernung tatsächlich nur 3 Kilometer. Die Länder vom Meer aus zu sehen, erweckte in mir eine gewisse Ehrfurcht. Unsere Erde ist doch erstaunlich! Wenn man bedenkt, dass Sizilien ursprünglich die Kontinente Europa und Afrika miteinander verband und wir heute mit dem Schiff vom tyrrhenischen ins Ionische Meer übersetzen… das war schon faszinierend! Vom Wasser aus gab es auch überaus viel zu sehen. Da man beide Seiten des Festlands gut betrachten konnte, sahen wir einen schönen Teil von Messina und die Natur, die sich links und rechts auftat. Langweilig wurde uns nicht.

Blick auf das höher gelegene Sacrario di Cristo Re Montalto in Messina

Die letzten Nachtfahrten

Gegen Abend blickten wir auf die Lichter Kalabriens. Schade diesen südlichsten Teil Italiens nicht besichtigt zu haben, aber wir waren guter Dinge unsere Segeltour zu einem anderen Zeitpunkt fortzusetzen und in diese Region zurück zu kehren. Später sollten wir kaum noch Lichter sehen, da unsere Route uns wetterbedingt wieder etwas weiter raus aufs Meer führte. Immerhin mussten wir den gesamten vorderen Teil des Stiefels noch überwinden, um zum Absatz zu gelangen.

Die Lichter Kalabriens

Wir starteten die Nachtschicht in unserem gewohnten Rhythmus: zuerst ich, dann Fiete. Ich freute mich auf unsere Nachtfahrt. Es hatte einen ganz besonderen Charme in der Nacht auf dem Wasser zu segeln und diesmal waren wir uns ziemlich sicher, dass es die letzten beiden Nächten auf offenem Meer sein würden. Wir waren mittlerweile routiniert und hatten die idealen Voraussetzungen für unsere Nachtschicht schon vorab organisiert: Knabberzeug, Wasser, Stirnlampe, Hörbücher oder Podcasts, Kindle und für die Notfälle einen Eimer.

Ein wunderschöner Vollmond begleitete uns auf unserer letzten Nachtfahrt

Das Einzige was immer noch nicht so gut lief, war mit dem Mini vor dem Bauch, die Segelstellung zu ändern. Die Babytrage und das nicht mehr ganz unerhebliche Gewicht vom Mini schränkten meinen Bewegungsradius einfach stark ein. Zugegebenermaßen fehlt es mir auch etwas an Kraft in den Armen… Es war wirklich schwierig unter diesen Bedingungen, die Schot dicht zu holen. Da ich in dieser Nacht wetterbedingt eine Wende fahren wollte und ich es nicht schaffte die Schot dicht zu holen, führte das dazu, dass Fiete im ersten Teil der Nacht wach wurde. Die Umlenkrolle der Schot klapperte wahnsinnig laut aufs Deck, als ich probierte diese festzumachen. Ich schaffte es einfach nicht. Ich hatte den richtigen Zeitpunkt zum Dichtholen verpasst, der Wind kam nicht mehr von vorne und es war noch schwieriger. Somit musste er mir dann doch helfen…

Nächtlicher Besuch…

Bis auf diesen Umstand verlief unsere erste Nacht aber einwandfrei und auch der Tagestörn gestaltete sich problemlos. In der zweiten Nacht wurde ich durch einen hohen Schrei geweckt. Erschrocken starrte ich nach draußen ins Cockpit, wo ich gerade noch etwas wegfliegen sah. Es stellte sich heraus, dass es kein kleines Mädchen war, was da geschrien hatte, sondern Fiete, der den Schock seines Lebens bekommen hatte, als auf dem dunklen Meer in völliger Ruhe ein Vogel auf seinem Bein landete. Ich konnte verstehen, dass er sich deswegen extrem erschrocken hatte, trotzdem konnte ich nicht aufhören zu lachen, nachdem ich begriffen hatte, dass er da so geschrien hatte. Diesen oder einen anderen Vogel sah ich während meiner Schicht in der Nacht erneut, als er versuchte auf unserem Boot zu landen. Er tat mir so leid und ich hätte ihm so gerne geholfen, aber jeder Schritt auf ihn zu hätte ihn nur noch mehr verängstigt. Nachdem er es nicht schaffte einen geeigneten Platz zum Ausruhen zu finden, flog er weiter. Ich hoffe er hat es bis zum nächsten Rastplatz geschafft.

Ankunft in Apulien

Blick aufs Meer bei Santa Maria di Leuca

Der Rest unserer Überfahrt verlief ohne weitere tierische oder sonstige Zwischenfälle. Gegen frühen Morgen kamen wir bei Santa Maria di Leuca an, wo wir uns einen Ankerplatz in Hafennähe suchten, um uns erstmal auszuruhen. Später gingen wir an Land, um uns ein gutes Essen im Restaurant zu gönnen. Wir entdeckten ziemlich schnell den idealen Ort für Eltern: eine offenen Markthalle mit wunderbarem Essen und Spielgelegenheiten für die Kinder. Perfekt!

Spielbereich im „Mercato“ von Santa Maria di Leuca

Glückselig darüber, dass wir das italienische Festland erreicht hatten, gutes apulisches Essen genießen konnten und die Kinder glücklich spielten und tobten, genossen wir den Erfolg der letzten Etappe und ließen unsere Seele baumeln.

Chilliger Platz mit großartiger Aussicht

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